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Beweglichkeit trainieren – Diese neue Methode setzt sich durch

Beweglichkeit trainieren – Diese neue Methode setzt sich durch

Der Begriff Beweglichkeit oder Beweglichkeitstraining ist für viele oft mit negativen Gedanken verknüpft. Langes und schmerzhaftes Dehnen, Bewegungen entgegen dem eigenen angenehmen Empfinden oder stundenlangem Yoga sollen dafür offenbar gut geeignet sein. Methoden wie diese sollen dabei helfen, langfristig einen perfekten Overheadsquat durchführen oder auch einfach „nur“ geschmeidig in die Socken schlüpfen zu können. In diesem Artikel zeigen wir Dir, wie Du Deine Beweglichkeit optimalerweise trainieren solltest.

Je nach Altersgruppe, Sportart oder Bedürfnissen können die Anforderungen anders aussehen. Gesundheit sollte nicht nur die Abwesenheit von Krankheit darstellen, sondern vor allen Dingen einen Zustand, der den alltags- sowie sportspezifischen Anforderungen gewachsen ist.

An welche Bewegung denkst Du als erstes, wenn Du Dir Deine eigenen „Baustellen“ vor Augen führst? Vielleicht sind diese Einschränkungen sogar mit Schmerzen verbunden? Du versuchst schon lange an dieser Körperregion zu arbeiten?

Individuell notwendige Beweglichkeit bestimmen

Aktive Beweglichkeit – auch als Mobilität (engl.: Mobility) bezeichnet – verbindet die Fähigkeiten Kraft und Flexibilität (passive Beweglichkeit). Die erste Frage, die Du Dir stellen solltest, lautet: Wofür trainiere Ich meine Beweglichkeit und welches Ausmaß oder welche Bewegungsamplitude möchte ich erreichen?

Ein möglicher Zweck könnte sein, Schmerzen zu reduzieren, die Leistungsfähigkeit zu verbessern oder technische Defizite in einer Sportart zu korrigieren. Oft wird angeführt, dass die möglichst geringe Differenz zwischen aktiver und passiver Beweglichkeit zu einer Reduzierung der Wahrscheinlichkeit einer Verletzung führen kann. Ein Kampfsportler, der einen zentimetergenauen Kick auf Kopfhöhe des Gegners erzielen möchte, braucht natürlich eine andere „Range of Motion“ während seiner sportartspezifischen Bewegung, als jemand, der, ohne sein Gesicht verzerren zu müssen, den heruntergefallenen Haustürschlüssel aufheben will. Der Trainingsgedanke ist jedoch der gleiche. Wie sage ich meinem Körper, genauer, meinem zentralen Nervensystem (ZNS), dass es diese Amplitude „freigeben“ soll und den störenden Muskeltonus („Grundspannung“ im Muskel) runterfahren darf und als sicher interpretiert.

Wichtige Prinzipien für das Beweglichkeitstraining

Wir funktionieren nach dem einfachen „Use it or lose it“ - Prinzip. Langes und häufiges Sitzen verkürzt nicht grundlegend die Hüftmuskulatur oder führt zu einer vorgebeugten Haltung. Wir „verlernen“ nur adäquat die Gegenbewegung einzunehmen oder die gewünschten Muskelpartien anzusprechen. Der Körper passt sich aus einer anderen Perspektive wunderbar an die äußerlichen Gegebenheiten an. Hätte wir diese Fähigkeit nicht, hätten wir wahrscheinlich noch immer nicht die ökonomischste aller Fortbewegungen entwickelt so wie wir er heute kennen; das Gehen auf zwei Beinen. Reflektion und Achtsamkeit ist hier die Devise, um den Kreis der starren Körperhaltung oder des monotonen Bewegens zu durchbrechen. Es reichen für den Anfang meist 4-5 kleine Pausen von 2-3 Minuten über den Tag verteilt, um erste Ergebnisse hervorzurufen und diesen Teufelskreis zu durchbrechen. Dafür hat wirklich jederzeit! Beim Zähneputzen, Telefonieren und Kochen heißt es ab sofort: Gelenke durch ihren größtmöglichen Bewegungsradius bewegen!

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Wichtige Prinzipien für das Beweglichkeitstraining

Die kontextabhängige Betrachtung der IST-Situation und eine Definition des angestrebten Ziels ist somit die Grundvoraussetzung für ein erfolgsversprechendes Mobility-Training. Weitere Trainingsprinzipien, wie dass des trainingswirksamen Reizes und der optimalen Relation von Belastung und systematische Erholung kommen beim Mobility-Training ebenfalls zum Tragen.

Hat Beweglichkeitstraining nur Vorteile?

Beweglichkeitstraining kann unter gewissen Umständen auch negative Folgen haben (Stichwort: Hypermobilität). Als grobe Gedankenstütze kann hier der Joint by Joint Ansatz von Michael Boyle zu Rate gezogen werden. Dieser kategorisiert unterschiedliche Körperregionen welche tendenziell mehr Mobilität oder mehr Stabilität benötigen. Ein weiterer Gedanke, der in dieses Thema passt, ist der Ansatz von Ido Portal: Isolation, Integration und Improvisation.

Der Körper kann "sich selbst helfen"

Unser Körper besitzt großartige Kompensationsmechanismen und Systeme die unabhängig voneinander arbeiten und im Falle einer Dysfunktion oder eines Ausfalls eines Systems die Funktion eines anderen übernehmen können. Bestimmte Muskeln und Gelenke können damit Bewegungs- und Beweglichkeitsdefizite tolerieren und ausgleichen. Solange dies nicht zu Problemen oder Schmerzen führt, ist diese Kompensation unter gewissen Umständen eine beeindruckende und gewollte Eigenschaft des Körpers.

Isoliert man nun die einzelnen Teilbewegungen kann man relativ gut erkennen, ob die einzelnen Teile des Gesamtsystems reibungslos arbeiten. Trainiert man nun diese Teilelemente einzeln, lassen sich Schwachstellen erkennen und gezielt angehen. Nach der Isolation „integriert“ man diese Teilbewegung zu einem späteren Zeitpunkt in die Gesamtbewegung und „improvisiert“ mit diesem neu aufgebauten Bewegungskonstrukt. Aus einer Beweglichkeitseinschränkung während der Kniebeuge könnte beispielsweise ein gezieltes Training der Beugung und Streckung des Knie- oder Hüftgelenks werden (Isolation). Daraus erfolgt die Integration zurück in die Kniebeuge und anschließend die Improvisation in eine Alltagsbewegung wie das schmerzfreie Hochheben eines schweren Pakets aus der Kniebeuge heraus.

Theorie in die Praxis übernehmen

Definiere zuallererst Dein Ziel und dokumentiere Deinen IST- Zustand. Mach keine Raketenwissenschaft draus. Schnapp Dir Dein Handy oder lass Dich von Deinem Trainingspartner bewerten. Mache die zu verbessernde Bewegung und schau wie weit Du kommst oder markiere Dir auf dem Boden oder an der Wand einen Punkt, der Dein aktuelles Leistungslevel wiedergibt. Klar ist, dass die Genauigkeit entscheidend ist. Viel wichtiger ist aber eher, dass du starten solltest, anstatt Dich mit diversen Messmethoden aufzuhalten.

Taste Dich in einem weiteren Schritt langsam (!) an die Endbereiche Deiner aktuellen Beweglichkeit ran! Am Beispiel des Jefferson Curls (= mit Gewicht beladene Vorbeuge) könntest Du in der ersten Trainingseinheit 2 x 5 Wiederholungen mit 5 kg bis zum Knie als erste Übung vor Deinem Training einbauen. In der nächsten Woche gehst Du 5 cm weiter runter. Danach wieder 5 cm usw. Nach 4-5 Wochen erhöhst Du das Gewicht auf 10 kg und fängst wieder ein wenig höher an etc. Dies ist auch als „Loaded Mobility“ bekannt da Du einen Bewegungsbereich mit Gewicht belädst und somit zwei Fliegen mit einer Klappe schlägst.

Weiter typische Mobility Übungen können sein Hängen, die Brücke oder für Fortgeschrittene Skin the Cat. Aber auch bekannte Krafttrainingsübungen wie der Squat, Butterfly, rumänisches Kreuzheben oder Bulgarian Split Squats können zur Steigerung der Beweglichkeit dienen. Wichtig ist hier die volle kontrollierbare (!) Bewegungsamplitude auszunutzen.

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Diese 10 Punkte solltest Du unbedingt beachten

  1. Aktives Beweglichkeitstraining vor passivem Beweglichkeitstraining.
  2. Erhöhe progressiv die Intensität und Belastung.
  3. Vermittle Deinem Körper, dass Du alles unter Kontrolle hast.
  4. Manche Gelenke sollten mobilisiert, andere stabilisiert werden.
  5. Je höher die Mobilität, desto wichtiger die Stabilität.
  6. Bleibe immer in einem schmerzfreien Bereich.
  7. Sei geduldig! Passive Strukturen (Knorpel, Gelenke, Bänder) brauchen deutlich länger zur Regeneration als Muskeln.
  1. Taste Dich an die Endbereiche Deiner Gelenksamplitude heran (lässt sich auch super in das „normale“ Krafttraining integrieren).
  1. Achte auf die Regelmäßigkeit und genügend Erholung.
  2. Finde heraus, welche Bewegung für Dich wichtig ist und hab Spaß!

Beweglichkeit trainieren - Tipps für dein Beweglichkeitstraining

Abschließend soll nochmals betont werden, dass Dehnen oder passive Stretching-Methoden ebenfalls eine Berechtigung haben und nicht verteufelt werden sollten. Beispielsweise nach einem Training oder als Abschluss des Tages kann leichtes Dehnen dem Körper helfen runterzufahren und den Regenerationsprozess einzuleiten. Halte aber immer das Verhältnis zwischen Zeit und Nutzen im Blick!

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Autor / Experte

Louis-Peekhaus-Autor-Fitminex-Blog

Louis Peekhaus

Louis Peekhaus (M.A. Prävention, Gesundheitsmanagement und Sporttherapie) arbeitet seit fast 10 Jahren in der Fitness- und Gesundheitsbranche. Sein Unternehmen Peekhaus Personal Training hat sich auf eine ganzheitliche Herangehensweise zur Gesundheitsoptimierung und Schmerzreduktion sowie Prä- und Rehabilitation spezialisiert und führt dies Off- wie auch Online in unterschiedlichen Coachingangeboten durch. Falls Du an einem unverbindlichen Beratungsgespräch interessiert bist, kannst du auf diese Wege ganz einfach mit ihm in Kontakt treten.

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