Kraftsport erfreut sich weltweit zunehmender Beliebtheit, der Fitnesshype ist in den letzten Jahren unfassbar gestiegen. Wie jede andere Sportart birgt aber auch das Krafttraining ein gewisses Verletzungsrisiko.
Vielleicht hast Du selbst oder jemand den Du kennst das leider schon erfahren müssen. In diesem Artikel präsentiere ich Dir die Häufigkeit von Verletzungen im Kraftsport und beleuchte die wichtigsten Risikofaktoren und effektive Präventionsstrategien, um Verletzungen zu vermeiden und damit Deine Leistungsfähigkeit nachhaltig zu verbessern.
Prävalenz von Verletzungen im Kraftsport
Der Begriff "Prävalenz" bezeichnet die Häufigkeit einer Krankheit oder eines Symptoms in einer Bevölkerung. Hier bezeichnen wir mit der Prävalenz die Häufigkeit des Auftretens einer Verletzung pro 1.000 Trainingsstunden. Je nach Studie und Disziplin unterscheidet sich die Prävalenz von Verletzungen im Kraftsport.
Grundsätzlich kann hier zwischen den folgenden Arten von Kraftsport unterschieden werden: allgemeiner Kraftsport, Powerlifting, Bodybuilding und olympisches Gewichtheben.
Mit einer maximalen Rate von 3,0 Verletzungen pro 1.000 Trainingsstunden scheint Bodybuilding die sicherste der Kraftsport-Arten zu sein. Dies liegt wahrscheinlich daran, dass hier viel Maschinentraining betrieben wird, zumeist kontrollierte und langsame Bewegungen ausgeführt werden und nicht mit massiv hohen Lasten gearbeitet wird, anders wie im Olympischen Gewichtheben oder im Powerlifting. Hier belaufen sich die maximalen Raten nämlich auf je 3,3 (Gewichtheben) und 4,4 (Powerlifting) Verletzungen pro 1.000 Trainingsstunden. Der allgemeine Kraftsport ist mit 4,5 Verletzungen am höchsten beziffert. Im Vergleich zu anderen Sportarten sind die Verletzungsraten im Kraftsport jedoch verhältnismäßig gering. Im Fußball beispielsweise bewegen wir uns bei einer Rate von 8,1 Verletzungen pro 1.000 Trainingsstunden. Der Unterschied liegt hauptsächlich daran, dass Kraftsport eine Individualsportart ist. Wir haben faktisch wenige externe Einflussfaktoren wie beispielsweise den Gegnerkontakt, der im Fußball oftmals zu Verletzungen führt.
Häufigste Verletzungsbereiche im Kraftsport
Die häufigsten Verletzungen treten im Bereich des unteren Rückens, der Schulter und des Knies auf. Wenn Du aktiv Kraftsport betreibst wird es Dich nicht wundern, dass diese Bereiche des Körpers häufig betroffen sind. Bei olympischen Gewichthebern trifft es übrigens auch gerne mal die Handgelenke und bei Bodybuildern die Ellenbogen. Auch das wundert einen erst einmal nicht, da genau diese Bereiche in der jeweiligen Kraftsport-Variante am meisten abbekommen. Es handelt sich jedoch bei den "Verletzungen" meist um Muskelzerrungen oder Überlastungsbeschwerden. Sehr selten treten im Kraftsport ernsthafte Verletzungen auf wie beispielsweise ein Brustmuskelabriss beim Bankdrücken. Das ist jedoch zumeist auf schlechte Trainingsplanung und schlechte Regeneration oder im Fall von abgerissenen Brustmuskeln oft auch auf die Nutzung von anabolen Steroiden zurückzuführen. Zu den konkreten Risiken nun jedoch etwas detaillierter.
Die 5 Risikofaktoren für Verletzungen im Kraftsport
Das Risiko für Verletzungen im Kraftsport kann von vielen verschiedenen Faktoren beeinflusst werden. Zwar wird Fitness und Kraftsport immer beliebter, dennoch ist die Studienlage zu Verletzungsrisiken in diesem Sport nicht besonders eindeutig oder ausführlich. Das verdeutlicht die Diversität von Risikofaktoren und die Individualität der Sporttreibenden. Es ist also immer nur ein Versuch möglich, auf gewisse Risikofaktoren hinzudeuten und diese im eigenen Training oder Coaching möglichst gering zu halten.
Die wichtigsten Risikofaktoren stelle ich Dir deshalb im Folgenden vor.
#1 Demografische Faktoren
Jüngere Athleten und Athletinnen haben tendenziell eine höhere Verletzungsrate als ältere. Das liegt wahrscheinlich hauptsächlich an der Erfahrung im Umgang mit Gewichten und der Trainingssteuerung. Männer haben in vielen Studien eine höhere Verletzungsrate als Frauen. Wieso das so ist, ist bislang nicht genau untersucht. Eine Ursache könnte sein, dass Männer grundsätzlich risikobereiter sind als Frauen und sich damit eher höheren Gewichten aussetzen. Andererseits sind Frauen in Studien über Kraftsport oftmals eher gering repräsentiert, was den Unterschied beeinflussen könnte. Bist Du also schon länger im Kraftsport unterwegs und eine Frau, dann hast Du hier wohl einen kleinen Bonuspunkt.
#2 Physische Limitationen
Sporttreibende mit vorherigen Verletzungen haben ein erhöhtes Risiko der Wiederverletzungen, teilweise bis zu drei Mal höher. Auch das ist erst einmal logisch. Der verletzte oder überbeanspruchte Bereich wird oftmals zu früh wieder belastet, das kennen wir auch aus anderen Sportarten sehr gut.
Ein weiterer körperlicher Faktor ist die unsachgemäße Technik in einzelnen Übungen. Es sollte inzwischen allgemein bekannt sein, dass wir hierbei nicht in "schlechte" oder "gute" Technik unterteilen können. Technik ist sehr oft ein sehr individueller Faktor und vor allem wenn es um das Bewegen sehr schwerer Lasten wie im Powerlifting oder im Gewichtheben geht, ist eine Reduzierung allein auf "schlechte Technik" an dieser Stelle sehr schwierig. Die Technik kann allerdings zu einem Risiko werden, wenn es einen signifikanten Technikeinbruch während der Übung gibt, den das Individuum sonst nicht hat.
Ein Beispiel hierfür aus dem Powerlifting: Ein Athlet bestreitet seinen ersten Wettkampf. Die Kniebeuge war im Training immer etwas zu hoch, im Wettkampf muss jedoch eine gewisse Tiefe erreicht werden. Der Athlet bemüht sich also im Wettkampf-Versuch mit viel Gewicht die Tiefe zu erreichen und setzt sich dafür mit viel Gewicht auf dem Rücken ins "Loch". Dies ist eine Position, die seine Strukturen noch nicht gewöhnt sind und könnte das Risiko für eine Verletzung erhöhen. Der Athlet sollte in der Vorbereitung auf den nächsten Wettkampf also fleißig im Training an seiner Kniebeugen-Tiefe arbeiten, denn die kommt leider nicht erst im Wettkampf.
#3 Trainingsfaktoren
Die Studienlage weist darauf hin, dass ein hohes Trainingsvolumen sowie hohe Intensitäten mit einer höheren Verletzungsrate verbunden sind. Eine Studie fand heraus, dass Athleten und Athletinnen, die sehr regelmäßig sehr hohe Gewichte bewegen, häufiger Verletzungen erleiden. Eine Art "Off-Season" scheint also auch im Krafttraining Sinn zu ergeben. Auch eine hohe Trainingsfrequenz ist mit einem höheren Risiko verbunden, was zunächst logisch erscheint (mehr Trainingsstunden, mehr Verletzungen). Gegebenenfalls spielt aber auch die nicht ausreichende Regenerationszeit eine Rolle.
#4 Lebensstilfaktoren
Dass Ernährung und Schlaf eine große Rolle in der Prävention von Verletzungen im Allgemeinen spielt, sollte Dich hoffentlich nicht überraschen. Auch im Kraftsport lies sich das nachweisen. Eine Studie fand heraus, dass Kraftsportler und Kraftsportlerinnen, die regelmäßig ausreichend Schlaf bekommen und eine ausgewogene Ernährung einhalten, seltener Verletzungen erleiden.
Auch aus anderen Sportarten wissen wir bereits, dass mangelnde Erholung und psychischer Stress ein Risikofaktor für Verletzungen sein kann - so auch im Kraftsport.
#5 Equipment und Ausrüstung
Bislang gibt es keine Nachweise dafür, dass das Verwenden von bestimmtem Equipment (Gürtel, Bandagen, spezielle Schuhe usw.) einen negativen oder positiven Einfluss auf das Auftreten einer Verletzung hat. Wahrscheinlich ist dieser Faktor sehr stark abhängig von der richtigen Anwendung und der Trainingserfahrung des Athleten oder der Athletin.
Prävention von Verletzungen im Kraftsport
Regelmäßige Technik-Checks sowie die Überwachung des Trainingsverlaufs durch erfahrene Coaches können helfen, Verletzungen zu vermeiden. Außerdem kann durch gezielte Trainingssteuerung das Risiko für Überlastungserscheinungen und -verletzungen reduziert werden.
Als Kraftsportler oder Kraftsportlerin solltest Du sicherstellen, dass Du genügend Schlaf erhältst, um die Erholung zu unterstützen. Guter Schlaf sowie eine gesunde und ausgewogene Ernährung sollten als regenerative Maßnahmen für Dich an erster Stelle stehen. Hier ist außerdem die Reduktion von externem Stress als weitere regenerative Maßnahme zu nennen. Eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr ist, wie in allen anderen Sportarten, ebenfalls sehr wichtig.
Zusätzlich Maßnahmen wie Saunieren, Massagen oder das "Ausrollen" mit Faszienrollen ist in den meisten Fällen weder notwendig noch wirklich förderlich, kann Dir jedoch ein allgemein besseres Wohlbefinden bescheren. Ein Dehnprogramm vor dem Krafttraining scheint (wie in anderen Sportarten übrigens auch) keinen oder sogar einen eher negativen Einfluss auf die Reduktion von Verletzungen zu haben. Als Aufwärmprogramm empfiehlt sich deshalb fünf Minuten entspannte Ausdauer zum Beispiel auf dem Fahrradergometer, um die Temperatur Deines Körpers etwas zu erhöhen und/oder ein kurzes Mobility-Programm. Dies sollte auf Dich und Deine Bedürfnisse abgestimmt sein. Hier sind übrigens fünf bis zehn Minuten völlig ausreichend. Auch das ist an dieser Stelle jedoch nicht notwendig und es gibt keine Beweise dafür, dass dies das Verletzungsrisiko reduziert (jedoch auch keine, die das Gegenteil beweisen). Grundsätzlich solltest Du gerade bei Übungen, die viele Muskeln und Gelenke beanspruchen, einige Aufwärmsätze absolvieren, um Deinen Körper auf die folgende Belastung vorzubereiten.
Schaffe die richtigen Voraussetzungen für ein verletzungsfreies Training
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Verletzungen im Kraftsport relativ selten sind, jedoch durch Überlastung und fehlende Regeneration verursacht werden können. Durch präventive Maßnahmen wie korrektes Techniktraining, ausreichende Erholung und eine ausgewogene Ernährung kannst Du das Verletzungsrisiko erheblich reduzieren und Deine Leistungsfähigkeit nachhaltig verbessern.
Du hast eben einen umfassenden Überblick über das Verletzungsrisiko und Risikofaktoren für Verletzungen im Kraftsport erhalten. Dabei wurden die aktuelle wissenschaftliche Literatur sowie systematische Literaturrecherchen berücksichtigt. Es ermöglicht Dir als Athletin oder Athlet oder auch als Coach oder Coachin, präventive Maßnahmen zu ergreifen und die Sicherheit im Training zu verbessern. Zukünftige Forschung sollte weiterhin die spezifischen Risikofaktoren untersuchen und effektive Präventionsmaßnahmen entwickeln, um die Sicherheit im Kraftsport zu erhöhen.