Mentaltraining ist im Spitzensport schon lange ein fester Bestandteil im Trainingsplan. Viele Champions führen ihre Siege auch auf ihre mentale Stärke zurück. Im Mentaltraining werden unter anderem die Konzentration, die Motivation und die mentale Wettkampfvorbereitung trainiert.
In diesem Beitrag geht es um die mentale Wettkampfvorbereitung. Denn mentale Wettkampfvorbereitung ist die halbe Miete auf dem Weg zum Erfolg. Insbesondere in diesem Artikel möchte ich diese vier Bereiche betrachten:
1) Die Leistung
2) Der Wechsel von der bewussten zur intuitiven Bewegung
3) Das Erfolgsgeheimnis
4) Das Leben nach dem Wettkampf
Wie steigerst Du Deine Wettkampfleistung?
„Es kommt nicht drauf an, dass man es kann. Es kommt drauf an, dass man es kann, wenn es drauf ankommt.“ – Du hast Dich bestmöglich auf den Wettkampf vorbereitet und dann klappt es immer noch nicht mit der optimalen Performance. Woran liegt das eigentlich?
Man kann sagen, dass die Wettkampfleistung in der Regel etwa 5 – 10 % unterhalb der Trainingsleistung liegt. Nur 35% aller Sportler erreichen ihre Bestleistung zum geplanten Zeitpunkt. Champions bauen im Training daher eine Leistung auf, die auch noch mit leichten Leistungseinbußen für das gewünschte Ziel ausreicht, und bereiten sich so optimal für den Wettkampf vor.
Was gehört alles zu einer guten Vorbereitung? Hast Du Dir schon einmal Gedanken darüber gemacht, wovon Deine Leistung abhängt? Schauen wir uns einmal anhand der folgenden Übersicht an, welche Faktoren Deine Leistung beeinflussen können.
KETTMUM - die sogenannten BIG 7
Jeder der sieben Bausteine hat Einfluss auf Dich und damit Einfluss auf Deine Leistung. Betrachte Dein Training nicht isoliert. Es ist nicht das Einzige, das wichtig ist. Wenn es zum Beispiel in Deinem Umfeld (Familie, Schule/Arbeit) Probleme gibt, dann bist Du im Wettkampf nicht hundertprozentig bei der Sache und kannst so auch Deine Leistung nicht abrufen. Richte also Deine Aufmerksamkeit auf alle Bereiche aus.
Kondition
Gerade bei Amateursportlern kann man immer wieder beobachten, dass sie ins Training gehen, um ihre Technik zu verbessern, aber das Training ihrer Fitness vernachlässigen. Dieser Bereich stellt allerdings die Grundlage für eine gute Technik dar.
Du weißt sicherlich, dass Du durch Krafttraining stärker wirst. Aber weißt Du auch, dass Du durch spezielle Kraftübungen gezielt Deine Power und Deine Explosivität steigern kannst? Mit Spezial-Krafttraining verbesserst Du Dein Bewegungsgefühl für die Kraftübertragung. Du startest mit einer optimalen Krafteinleitung in die Bewegung. Du profitierst von einer Entlastung Deiner Gelenke, einer Verbesserung Deiner Muskelleistung in spezifischen Bewegungen und einer Steigerung Deiner muskulären Ausdauer.
Ernährung
„Essen hält Leib und Seele zusammen.“ – Eine alte Binsenweisheit, in der viel Wahres steckt und die ganz besonders auch für den Sport gilt. Nur mit der richtigen Ernährung ist sportliche Leistung möglich. Unterschiedliche Leistungsanforderungen haben zu ganz unterschiedlichen Ernährungsstrategien in vielen Sportarten geführt, die nicht nur Profis, sondern auch Amateure erfolgreicher machen.
Die vielfältigen physischen und psychischen Anforderungen erfordern neben gutem Technik-, Taktik- und Fitnesstraining auch eine gut abgestimmte Ernährung. Ein gutes Ernährungskonzept vor, während und nach dem Wettkampf ist notwendig, um auch bis zum Schluss mit Präzision arbeiten zu können.
Technik
Bei der Technik geht es um die Bewegungsausführung. Am besten gelingt Dir diese, wenn Du nicht mehr darüber nachdenken musst. Du befindest Dich dann im sogenannten Flow, die höchste Form der Konzentration. Sicher hast Du schon einmal davon gehört. Aber wie kommst Du in den Flow?
Eine gute Körperwahrnehmung, das optimale Körpergefühl und das richtige Bewegungsgefühl sind hilfreiche Vorstufen auf dem Weg zum Flow. Jede der vier Stufen wird unterschiedlich intensiv wahrgenommen und trainiert: Von Körperwahrnehmung „bewusst“ bis Flow „unbewusst“.
Im Folgenden möchte ich Dir ein paar praktische Übungen an die Hand geben, mit denen Du leichter in den Flow kommen kannst.
Methoden zur Verbesserung der Körperwahrnehmung (Stufe 1):
- Schätze Deinen Puls in Ruhe und unter Belastung.
- Führe Gleichgewichtsübungen durch. Stell Dich zum Beispiel auf ein Wackelbrett, übe den Einbeinstand oder balanciere auf einer Slackline.
- Übe Dich in Achtsamkeit, richte Deine Konzentration zum Beispiel auf Deinen Atem oder erledige Alltagsaufgaben in Zeitlupe. Nimm Dich und Deine Umgebung im Hier und Jetzt wahr.
- Gehe barfuß auf unterschiedlichen Untergründen (Gras, Wald, Steine, Sand).
- Versuche es einmal mit progressiver Muskelentspannung.
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Methoden zur Förderung des Körpergefühls (Stufe 2)
Diese beispielhaften Aktivierungstechniken führen zu einem besseren Körpergefühl:
- Abklatschen und ein innerer Dialog: „Come on!“
- Atemaktvierung: Mache kurze und kraftvolle Atemstöße und lege den Fokus dabei auf die Ausatmung.
- Muskelaktvierung: Seilspringen, Skippings, Kniebeugen.
- Musik: pushende Beats bringen den Puls in Wallung.
Wenn Dein Aktivierungsgrad zu niedrig ist, musst Du Dich aktvieren. Aktiviere Dich aber immer nur so viel, bis die optimale Spannung erreicht ist. Denn zu viel Aktivierung wirkt sich negativ auf Deine Feinmotorik aus. Wende dieses beispielhafte Entspannungstraining an, um ein besseres Körpergefühl zu erlangen.
- Konzentriere Dich auf Dein Gleichgewicht.
- Fokussiere Dich auf Deinen Atem: Mache tiefe und lange Atemzüge, atme vier Sekunden ein und sechs Sekunden aus, zähle gedanklich mit.
- Nehme Deine Nervosität bewusst wahr: Wo und wie spürst Du die Anspannung? Atme ein, zwei Mal tief ein und richte Deinen Fokus wieder auf das, was wichtig ist.
- Führe einen inneren Dialog: „Ich bin ruhig und entspannt.“
Hier ist nicht die Tiefenentspannung gemeint, sondern einfach nur die Fähigkeit, etwas herunterzufahren, wenn Du merkst, dass Du zu nervös bist.
Methoden zur Förderung des Bewegungsgefühls (Stufe 3):
- Führe Bewegungen in Zeitlupe durch und spüre dabei Deine angespannten Muskeln.
- Führe Bewegungen mit geschlossenen Augen aus und – in der fortgeschrittenen Variante – zusätzlich mit Kopfhörern, damit Du Deine Wahrnehmung noch besser auf das Fühlen richten kannst.
- Versuche es mit Tai-Chi, Yoga oder davon inspirierten Übungen.
Methoden zur Förderung des Flows (Stufe 4):
- Beschreibe den Flow-Zustand. Schreibe ihn am besten so detailliert wie nur möglich auf.
- Mach Dir bewusst, dass 80 % Flow ausreichen. Du kannst ihn nicht erzwingen.
- Tu so, als ob Du bereits im Flow wärst, sei es durch Deine Körpersprache oder durch motivierende Gedanken. Richte Deinen Oberkörper auf, lächle oder führe einen inneren Dialog „Ich bin hellwach, ich bin fokussiert, es gelingt mir mühelos.“
Taktik
Neben den Grundtaktiken Deiner Sportart kann es von Vorteil sein, wenn Du für Deine Wettkämpfe eigene spezielle Strategien entwickelst. Zur Entwicklung einer Strategie können Dir folgende Fragen helfen: Was ist Dein Erfolgsgeheimnis? Was sind Deine Stärken? Wie kannst Du sie gezielt im Wettkampf einsetzen, um am Ende als Sieger vom Platz zu gehen?
Material
„Carbon statt Kondition.“ – Der Markt ist übersäht mit Ausrüstungsangeboten. Aber nicht das Material macht den Sportler zu einem Spitzensportler. Du solltest Ausrüstung verwenden, die zu Dir und Deiner Spielweise passt. Sie sollte auf Dich abgestimmt sein. Das Material zu wechseln, kann sich durchaus positiv auf Deine Leistung auswirken, insbesondere wenn Deine Ausrüstung schon in die Jahre gekommen ist. Zu häufiges hin und her wechseln wird Dich allerdings nicht besser machen.
Umfeld
Wer oder was gehört eigentlich zu Deinem Umfeld? Nimm Dir einmal kurz Zeit und schreibe in Ruhe auf, welche Bereiche Du zu Deinem persönlichen Umfeld zählst. Das können zum Beispiel die Familie, der Beruf, Finanzen, Freunde, die Wohnsituation und vieles mehr sein. Zählst Du auch zu den Menschen, die ihren Fokus auf nur ein oder zwei Bereiche richten?
Versuche Deinen Alltag nach dem Motto „Balanced-Life“ auszurichten und widme allen Bereichen Deine Aufmerksamkeit. Schaffe so beste Bedingungen für Dich und Deine Performance.
Zum Umfeld gehört neben dem Alltag auch das Zeitmanagement. Zeit ist etwas sehr Subjektives und wird von jedem anders wahrgenommen. – „Es ist nicht zu wenig Zeit, die wir haben, sondern es ist zu viel Zeit, die wir nicht nutzen“ – Seneca
Wie kannst Du Deine Zeit besser nutzen? Arbeite mit Prioritäten-Listen, komme vom Planen ins Handeln. Mache Dir bewusst, dass 80% oft ausreichen – und das in 20 % der Zeit. Bedenke, dass Perfektionismus bremst. Ab und zu ist es besser eine Sache anzufangen und hinterher zu optimieren als von Anfang an alles perfekt machen zu wollen. Identifiziere Zeitfresser und ziehe Konsequenzen daraus. Zeitfresser können zum Beispiel Dein Handy, Soziale Medien, Streaming Sender und vieles mehr sein. Erledige ungeliebte Aufgaben gleich morgens als erstes. Nutze Zugfahrten für die Erledigung von Aufgaben.
Mentale Stärke
Viele Sportler werden im Wettkampf so nervös, dass ihre Leistung weit hinter ihrer Trainingsleistung zurückbleibt. Es gibt Sportler, die sich selbst nicht viel zutrauen, obwohl sie eigentlich mehr können. Und es gibt Sportler, die sich überschätzen. Sportler, die von ihrer Leistung überzeugt sind, können diese besser abrufen als Sportler, die an ihrer Leistung zweifeln. – „Sieger zweifeln nicht, Zweifler siegen nicht“ – Ludger Beerbaum
Sieh den Wettkampf nicht als Bedrohung. Betrachte ihn als einen Mosaikstein in Deiner Entwicklung. Betrachte das Gesamtbild Deiner Laufbahn. Mit den folgenden Leitfragen zur mentalen Stärke kannst Du überprüfen, wie gut Du für Deinen nächsten Wettkampf vorbereitet bist.
Wie gut nimmst Du Deine sportliche Leistung wahr?
- Kennst Du Deine Leistung überhaupt?
- Kannst Du Deine Leistung realistisch einschätzen?
Wie gut bist Du an Wettkampfbedingungen gewöhnt?
- Passe Deine Trainingszeit und den Trainingsort an Deinen Wettkampf an.
- Was hast Du beim Training an und was trägst Du im Wettkampf? Trage auch im Training Deine Wettkampfkleidung.
Wie gut bist Du erholt?
- Wie gut ist Dein Schlaf? Achte auf eine sauber Schlafhygiene und bilde Schlafrituale.
- Hast Du ausreichend Erholungsphasen vor dem Wettkampf eingeplant? Wann ist Dein letztes Training vor dem Wettkampf?
Wie sieht es in Deinem Umfeld aus?
- Hakt es in einem Bereich?
Jetzt kennst Du die Bausteine für eine gute Performance. Nun gilt es, Deine persönliche Bestleistung auch auf die Straße zu bringen. Bedenke aber: Entwicklung braucht Zeit. Es wird nicht von heute auf morgen alles perfekt sein. Also „keep on going“.
Der Wechsel von der bewussten zur intuitiven Bewegung
Um von einer bewussten zu einer intuitiven Bewegungssteuerung, in den Flow, zu kommen, können Dir Warm-up und Konzentrationsroutinen helfen. Dabei reicht es nicht aus, sich nur einmal vor dem Wettkampf aufzuwärmen. Der Wettkampf ist ein ständiger Wechsel von Warm-up, Leistung und Cool-down.
Hast Du eine Warm-Up Routine und wie sieht diese aus? Bei Deiner Warm-up Routine solltest Du Deinen Körper auf Temperatur bringen und nur einfache Bewegungen der Grundtechniken Deiner Sportart durchführen. Konzentriere Dich dabei auf das Bewegungsgefühl. Versuche Dich an den Flow-Zustand zu erinnern.
Konzentrationsroutinen brauchst Du, um auch nach Ablenkungen Deine Konzentration wieder zu erlangen.
Dein Erfolgsgeheimnis
Analysen der Vorbereitung und des Wettkampfs helfen Dir dabei, Deine Stärken herauszuarbeiten. Was kannst Du besonders gut, worin liegen Deine Stärken?
Nutze sportartspezifische Prognosetrainings, um eine gute und realistische Leistungswahrnehmung zu bekommen. Mache Vorhersagen über einzelnen Komponenten Deiner Sportart. Anschließend wird das Ergebnis mit Deiner Vorhersage verglichen. Konntest Du Dich gut einschätzen oder hast Du Dich unter- oder überschätzt? Ziel ist es, die eigene Leistung immer besser einschätzen zu können – je besser die Qualität der Vorhersage, desto größer ist Deine „Vorhersagekompetenz“. Mit einem auf Dich angepassten Prognose- und Feedbackbogen kannst Du Deine Wettkämpfe analysieren - eine ideale Hilfe zur Förderung Deiner realistischen Selbsteinschätzung.
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Das Leben nach dem Wettkampf
„Ich messe den Erfolg nicht an meinen Siegen, sondern daran, ob ich jedes Jahr besser werde“ –Bedenke, dass ein Wettkampf nur eine Stufe ist. Nach dem Wettkampf ist vor dem Wettkampf. Egal was im Wettkampf passiert: Es geht weiter. Mit einer langfristigen Perspektive im Rücken wirkt der gerade anstehende Wettkampf weniger bedrohlich. Komm weg von der Ergebnisorientierung und hin zur Prozessorientierung. Es zählt Deine Leistungsentwicklung und nicht ein einzelnes Ergebnis.
Methoden zur Förderung der Prozessorientierung:
- Nutze eine Jahresübersicht Deiner ganz konkreten Termine für die Wettkämpfe.
- Teile Deinen Sport in seine Einzelkomponenten auf und entwickle den Ehrgeiz ganz gezielt an ihnen zu arbeiten.
- Dokumentiere Deine Fortschritte.
- Analysiere Deine Trainingseinheit: Was lief heute besonders gut? Was waren Deine fünf “best actions”?
Mentaltraining ist für alle geeignet. Nutze mentale Trainingstechniken, um Deine Leistung auch im Wettkampf besser abrufen zu können, um Bewegungsabläufe schneller zu lernen und zu stabilisieren. Mit Mentaltraining kannst Du Deine persönlichen Erfolgsfaktoren herausarbeiten und Deine Entwicklung beschleunigen.